AG Backnang: Wertersatz nach Widerruf bei offensichtlich gebrauchtem Rasierer
Das AG Backnang (Urteil vom 17.06.2009; Az.: 4 C 810/08) hat einem gewerblichen Internethändler im Zusammenhang mit dem Verkauf eines elektrischen Rasierers einen Wertersatz i.H.v. 100% dessen Verkehrswerts zugesprochen, nachdem sich in der mündlichen Verhandlung herausstellte, dass der Käufer den Rasierer zuvor nicht nur inspiziert, sondern gebraucht hatte.
Inhaltsverzeichnis
1. Was ist denn passiert?
Im zu entscheidenden Fall, hatte der Kläger von der Beklagten einen elektrischen Rasierer über das Internet gekauft. Der Kläger hatte den Rasierer innerhalb der Widerrufsfrist an die Beklagte zurückgesandt und verlangt nun die Rückzahlung des Kaufpreises i.H.v. 49,80 Euro zuzüglich der Versandkosten für die Rücksendung von 4,30 Euro. Der Kläger stützte seinen Anspruch auf die Widerrufsfolgen der §§ 357 I i.V.m. 346 I BGB. Das AG Backnang erhob Beweis über die Tatsache der Ingebrauchnahme des Rasierers. Hierbei schilderte die Beklagte, dass bei Ausklopfen des Scherkopfes des zurückgesandten Rasierers Bartstoppeln zu finden waren, darüber hinaus habe der Rasierer einen schimmligen Geruch aufgewiesen. Das Gericht überzeugte sich durch Inaugenscheinnahme vom modrigen Geruch und bestätigte diesen. Das Gericht kam zum Schluss, dass der Kläger sich nicht ausschließlich auf die Prüfung der Sache beschränkt hatte, den Rasierer also nicht lediglich inspizierte (z.B. Ein- und Ausschalten des Geräte), sondern schon gebraucht hatte.
2. Die Entscheidung des AG Backnang
Das AG Backnang entschied, dass der Kläger infolge des Widerrufs zum Wertersatz nach § 357 III BGB verpflichtet ist. Der Kläger habe namentlich nicht bloß den Rasierer auf Funktionstüchtigkeit geprüft, sondern bereits gebraucht. § 357 III 2 BGB gestattet dem Verbraucher nur ein Prüfungsrecht der Sache, sobald der Verbraucher das Gerät aber in Betrieb nimmt, ist er nach dieser Vorschrift zum Wertersatz verpflichtet. Da der Rasierer als Hygiene-Artikel infolge die Ingebrauchnahme durch den Beklagten nicht mehr wiederverkäuflich ist, ist sein wirtschaftlicher Wert auf Null gesunken. Das Gericht hat der Beklagten daher einen Wertersatz i.H.v. 100% des ursprünglichen Warenwerts zugesprochen.
Die Versandkosten hat der Verbraucher allerdings zugesprochen erhalten, da der elektrische Rasierer über der 40-Euro-Grenze des § 357 II 3 BGB lag und damit der Unternehmer zur Erstattung der Versandkosten nach § 357 II 2 BGB verpflichtet war.
3. Folgen vor dem Hintergrund der neuesten EuGH-Rechtsprechung
Viele Händler dürfte die Entscheidung des AG Backnang freuen, wurde dem Händler doch ein Wertersatz in Höhe des kompletten Verkaufwerts zugesprochen. Im Hinblick auf die neueste Rechtsprechung des EuGH hat diese Entscheidung allerdings keinerlei Aussagekraft, da das AG Backnang vor Verkündung des EuGH-Urteils zum vorgenannten Fall entschied. Allerdings liegt es nicht fern, im oben geschilderten Fall ein Beispiel für einen angemessenen Wertersatz zu sehen, der auch den Anforderungen des EuGH entsprechen würde. Eine Wertersatzpflicht des Verbrauchers ist danach zulässig, wenn der Verbraucher die durch Vertragsabschluss im Fernabsatz gekaufte Ware auf eine mit den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts wie Treu und Glauben unvereinbaren Art und Weise benutzt hat. Bei der Verwendung eines Hygiene-Artikels, wie einem elektrischen Rasierer, könnte eine, gegen Treu und Glauben verstoßende Art und Weise der Benutzung ohne weiteres vorstellbar sein.
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